Streit um Fluggastrechte spitzt sich nach Ratsbeschluss zu
Die geplante Reform der EU-Fluggastrechteverordnung, die Entschädigungen erst ab vier Stunden Verspätung statt wie bisher ab drei Stunden vorsieht, hat nach dem Beschluss des Ministerrats am Donnerstag deutliche Reaktionen ausgelöst. Während Luftfahrtverbände eine verpasste Chance für mehr Praxistauglichkeit sehen, warnen Verbraucherschützer vor einer Schwächung der Rechte von Flugreisenden.

iStock/phive2015
Die Kontroverse um die Rechte von Passagieren bei Flugverspätungen geht weiter
Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) zeigt sich enttäuscht vom Ratsbeschluss. Hauptgeschäftsführer Joachim Lang spricht von einer vertanen Gelegenheit, Verbraucherschutz und betriebliche Realität besser in Einklang zu bringen. Es bedürfe ausgewogener Lösungen mit dem Ziel, Passagiere bei Störungen möglichst schnell ans Ziel zu bringen.
Eine vom Marktforschungsunternehmen Yougov im Auftrag des BDL durchgeführte Umfrage unter Fluggästen zeigt laut Verband, dass 73 Prozent der Befragten es bevorzugen, ihr Reiseziel am selben Tag zu erreichen – selbst wenn eine Entschädigung erst ab einer Verspätung von fünf Stunden fällig würde. Nur 21 Prozent legten mehr Wert auf eine schnelle Entschädigung, auch wenn sie dafür einen späteren Reiseantritt in Kauf nehmen müssten.
Mehr Flugausfälle durch kürzere Fristen
Lang sieht in diesen Zahlen ein Argument für höhere Schwellenwerte: "Sie geben den Airlines die nötige Zeit, bei Störungen angemessene Lösungen wie Ersatzmaschinen oder Umbuchungen zu organisieren." Die aktuell geltende Grenze von drei Stunden für Entschädigungsansprüche sei in der Praxis kaum umsetzbar und behindere schnelle Hilfe.
Nach Angaben des Airline-Verbands Airlines 4 Europe hätte eine Ausdehnung des Zeitfensters auf fünf Stunden geholfen, bis zu 70 Prozent der annullierten Flüge noch zu retten. Stattdessen habe der Rat den Vorschlag verwässert und zusätzliche Komplexität geschaffen. "Passagiere wollen ankommen. Airlines wollen ihnen dabei helfen. Diese Reform droht, beiden nicht gerecht zu werden", kommentiert Managing Director Ourania Georgoutsakou.
Verbraucherschützer sehen Rückschritt
Gegenwind kommt vom Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Jutta Gurkmann, Leiterin des Geschäftsbereichs Verbraucherpolitik, warnt davor, Millionen Reisenden künftig ihren Anspruch auf Entschädigung zu nehmen. "Die Bundesregierung hat sich bis zuletzt für den Erhalt des aktuellen Schutzniveaus eingesetzt, wurde aber überstimmt", erklärt Gurkmann. Das Europäische Parlament müsse die Aushöhlung der Fluggastrechte jetzt verhindern.
Nach aktuellem Stand haben Fluggäste Anspruch auf Entschädigung ab einer Verspätung von drei Stunden. Künftig soll dieser Anspruch erst ab vier Stunden gelten. Für Gurkmann ein klarer Rückschritt: "Die europäischen Fluggastrechte sind einer der größten verbraucherpolitischen Erfolge der EU. Ein Zurück darf es hier nicht geben."
Kritisch sieht der VZBV auch das Verfahren: Die kurzen Verhandlungsfristen, die der Rat dem Parlament auferlege, würden der Bedeutung der Reform nicht gerecht.
Der Ball liegt nun beim Europäischen Parlament. Dort wird die Reform in zweiter Lesung verhandelt. Ob es dabei zu Nachbesserungen kommt, dürfte maßgeblich über die künftige Balance zwischen Verbraucherschutz und Umsetzbarkeit in der Praxis entscheiden.
Christian Schmicke