Neuer Mindestlohn setzt Reisewirtschaft unter Druck
Der gesetzliche Mindestlohn steigt bis 2027 in zwei Stufen auf 14,60 Euro. Was für Beschäftigte mit Basisverdienst ein finanzieller Lichtblick ist, setzt Reisebüros, Callcenter und touristische Dienstleister unter Druck – besonders dort, wo die Gehaltsabstände zwischen ungelernten Kräften und qualifiziertem Fachpersonal ohnehin schon gering sind.

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Die unabhängige Mindestlohnkommission hat eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns beschlossen
Die unabhängige Mindestlohnkommission hat eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns beschlossen. Ab Januar 2026 soll er zunächst auf 13,90 Euro steigen, ein Jahr später auf 14,60 Euro. Das entspricht einer Steigerung von insgesamt 13,9 Prozent. Für Vollzeitbeschäftigte bedeutet die Anhebung ein monatliches Bruttoplus von rund 190 Euro ab 2026 und 310 Euro ab 2027.
Reisebüros sind traditionell eher niedriglohnbasierte Arbeitgeber. Laut dem Jobportal Stepstone verdienen Reiseverkehrskaufleute zwischen 28.500 Euro im Jahr (ca. 2.375 Euro im Monat) und im besten Fall bis zu 38.800 Euro pro Jahr (3.233 Euro im Monat). Das durchschnittliche Jahresgehalt liegt laut Stepstone bei 33.900 Euro (2.825 Euro monatlich), was einem Stundenlohn von 18 Euro entspricht. Durch die Anhebung auf 14,60 Euro beträgt der Lohnabstand zwischen ausgelernter Fachkraft und ungelernter Hilfskraft somit gerade einmal drei Euro oder sogar noch weniger.
Schwer vorstellbar also, dass es nicht mittelfristig zu Lohnanpassungen bei den Löhnen kommt. Derweil läuft noch immer die Tarifrunde zwischen Verdi und der Tarifgemeinschaft des Deutschen Reiseverbands (DRV-T), bislang ohne Einigung. Am Freitag tagten die Parteien erneut, die Entscheidung der Mindestlohnkommission war auch hier Thema. Verdi fordert eine deutliche Aufwertung der Gehälter, die Qualifikation und Leistung anerkennt.
Gemischte Reaktionen im Gastgewerbe und der Hotellerie
Auch in der Hotellerie und im Gastgewerbe wird die Entscheidung über die Anhebung der Mindestlöhne diskutiert. Der Dehoga begrüßt, dass sich die Sozialpartner auf einen Kompromiss verständigt haben. "Es ist wichtig, dass die Sozialpartner gemeinsam eine von der Politik unabhängige Gesamtabwägung getroffen haben", erklärt Dehoga-Präsident Guido Zöllick. Dennoch sieht der Verband die Branche durch die Erhöhung unter Druck.
Zöllick verweist auf stark gestiegene Arbeitskosten: Seit 2022 haben diese im Gastgewerbe um 34,4 Prozent zugenommen. Gleichzeitig kämpft die Branche mit anhaltenden Umsatzverlusten. 2024 lag der reale Umsatz 13 Prozent unter dem Vorkrisenniveau von 2019. "Die wirtschaftliche Belastungsgrenze für die Betriebe ist vielerorts erreicht, sie stehen mit dem Rücken zur Wand", so Zöllick.
Die Tarifverträge geraten unter Druck
Laut Dehoga werden durch die Anhebung bereits im Jahr 2026 acht gültige regionale Tarifverträge überholt oder teilweise außer Kraft gesetzt. Das könne das gesamte tarifliche Lohngefüge destabilisieren. Die Erhöhung in zwei Stufen verbessere die Planungssicherheit und vermindere die Belastung. Zöllick erneuerte zudem die Forderung nach politischer Entlastung. Insbesondere die Umsetzung der reduzierten Mehrwertsteuer von sieben Prozent auf Speisen müsse zügig umgesetzt werden, um die wirtschaftliche Lage der Betriebe zu stabilisieren.
Gewerkschaft sieht Fortschritt für Beschäftigte
Für die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ist die Erhöhung ein Schritt in die richtige Richtung. NGG-Vorsitzender Guido Zeitler spricht von einer "vertretbaren Lösung", von der rund sechs Millionen Menschen profitieren, viele davon im Gastgewerbe und Bäckerhandwerk. Im Gastgewerbe sind rund 1,1 Millionen Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, mehr als die Hälfte von ihnen gilt laut Statistischem Bundesamt als Niedriglohnempfänger.
Pascal Brückmann / Frank Winter