Mehr Freizeit steht wieder auf der Gewerkschafts-Agenda
Neben Entgelterhöhungen und höheren Zuschlägen stehen bei den Tarifverhandlungen für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst auch mehr Urlaubstage und ein "Meine-Zeit-Konto" auf der Agenda der Gewerkschaft Verdi. Ist das zeitgemäß oder verrückt?

iStock/Parradee Kietsirikul
Urlaub und Freizeit spielen in aktuellen Tarifverhandlungen eine wichtige Rolle
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"Gewerkschafter fordern drei Urlaubstage mehr!" titelte die Bild-Zeitung gewohnt zurückhaltend im Hinblick auf die laufenden Tarifverhandlungen. Verdi-Vize Christine Behle verlange in der Tarifrunde für den öffentlichen Dienst drei zusätzliche Ferientage: "Viele Beschäftigte sind permanent überlastet. Die zusätzlichen drei freien Tage sollen einen Ausgleich dafür schaffen", wird sie zitiert.
Andere Gewerkschaften, wie etwa die Bildungsgewerkschaft GEW und die IG Bau, springen Verdi bei und unterstützen die Forderungen. Und das, während zeitgleich aus der Industrie und etwa von der CDU die Forderung erhoben wird, dass wieder mehr gearbeitet werden müsse.
Mehr Urlaub und mehr Zeitsouveränität
Doch was will die Dienstleistungsgewerkschaft konkret? Auf der Agenda stehen acht Prozent, mindestens aber 350 Euro mehr monatlich für Entgelterhöhungen und höhere Zuschläge für besonders belastende Tätigkeiten. Daneben die besagte drei Tage zusätzlicher Urlaub, für Gewerkschaftsmitglieder sollen es vier sein. Darüber hinaus soll ein "Meine-Zeit-Konto" für mehr Zeitsouveränität und Flexibilität sorgen.
Über das neue, von Verdi geforderte "Meine-Zeit-Konto" sollen die Beschäftigten im Sinne einer Wahlmöglichkeit eigenständig verfügen und entscheiden können, ob die erzielte Entgelterhöhung oder weitere Vergütungsbestandteile wie Überstunden inklusive Zuschlägen ausgezahlt oder auf das Konto gebucht werden sollen. Das "Meine-Zeit-Konto" solle für eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit, zusätzliche freie Tage oder auch längere Freistellungsphasen genutzt werden können, kündigt Verdi an.
Anhaltende Kontroverse
Ob das sinnvoll oder aus der Zeit gefallen ist, daran scheiden sich die Geister. Schon heute fehlten im öffentlichen Dienst rund 500.000 Mitarbeiter, melden die Gewerkschaften laut Wirtschaftswoche. In den kommenden zehn Jahren gingen weitere 1,4 Millionen Beschäftigte in den Ruhestand, wird Volker Geyer, Verhandlungsführer für den Beamtenbund, zitiert. Clemens Fuest, Präsident des Ifo Instituts warnt denn auch gegenüber Bild: "Bei wachsender Personalknappheit ist Verkürzung der Arbeitszeit nicht der richtige Weg. Der Trend sollte eher in Richtung von weniger Urlaubstagen gehen."
Einerseits würden also mehr Urlaubstage das Problem erst einmal verschärfen, weil weniger gearbeitet würde. Andererseits böten mehr Urlaub und mehr Zeitsouveränität vielleicht die Chance, den öffentlichen Dienst als attraktiven Arbeitgeber dastehen zu lassen. Zudem könnten vielleicht mehr Mitarbeiter für Vollzeitjobs begeistert oder davon abgehalten werden, in Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse zu wechseln.
Folgen für die Reisebranche
Für die Reise- und Freizeitindustrie ist die Angelegenheit in jedem Fall ein zweischneidiges Schwert. Schließlich entscheiden nach Einschätzung der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) vor allem drei Faktoren über das Reiseaufkommen: Zeit, Reiselust und Geld. Mehr Zeit, die auch für Reisen aufgewendet werden kann, ist daher erst einmal positiv, sofern die derzeit stark ausgeprägte hohe Wertschätzung für das Reisen erhalten bleibt. Wenn mehr Freizeit im öffentlichen Dienst von höheren Einkommen begleitet würde, wäre eine entsprechende Einigung für die Branche vorteilhaft.
Zugleich warnen Bund, Länder und Kommunen seit langem vor finanziellen Engpässen. Mehr Geld für weniger Arbeit zu zahlen, könne man sich nicht leisten, argumentieren sie. Eine Verschärfung der Situation könnte sie zu weiteren Sparmaßnahmen zwingen, die auch zu Lasten der Mitarbeiter gingen.
Zielkonflikt ohne Lösung?
TUI-Chef Sebastian Ebel brachte den Zielkonflikt aus Sicht der Reisebranche am Mittwoch in der ARD-Talksendung "Maischberger" zum Ausdruck, hatte aber für sich auch ein Fazit parat. Auch das Thema Work-Life-Balance wurde bei Maischberger gestreift. Arbeit stehe in keinem Widerspruch zu Freizeit, erklärte er, und weiter: "Ich würde mir wünschen, dass die Leute Geld haben, um ihre Freizeit zu finanzieren." Wichtig sei es zudem, dass Arbeitnehmer sowohl in ihrer Freizeit als auch bei der Arbeit Freude verspüren. Den Deutschen mangele es aktuell nicht an Zeit, sondern vielmehr an finanziellen Ressourcen.
Womit ein Problem gelöst, das nächste Fass aber zugleich aufgemacht wäre. Denn während es in manchen Segmenten nicht so schwer ist, Spaß an und bei der Arbeit zu haben und zu vermitteln, fällt eine entsprechende Einordnung in anderen Bereichen der Arbeitswelt durchaus schwer. Davon hängt nicht zuletzt ab, ob Freizeit und auch Urlaub hauptsächlich als Kontrast zu und Flucht aus einem als trist empfundenen Alltag gesehen werden oder als bereichernde Ergänzung. Die Diskussion wird uns in den nächsten Jahren noch begleiten – und ihr Ergebnis wird zwangsläufig Auswirkungen auf die Zukunft der Reisebranche haben.
Christian Schmicke